Ein Professionalitätsproblem
Gut zu verkaufen, Kunden zu begeistern und zum Abschluss zu bewegen, das sind Aufgaben, die ein besonderes Maß an Fähigkeiten, an Können und ein ausgeprägtes inneres „Wollen“ erfordern. Und es ist auch ein schwieriger Job.
Er erfordert zum einen eine ausgezeichnete Produktkenntnis.
Er erfordert eine besondere Fähigkeit, die Bedürfnisse des Kunden zu „erforschen“.
Er erfordert ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Kommunikationsfähigkeit.
Und: Auf keinem anderen Feld erfolgt die Rückkopplung über Erfolg und Misserfolg, also darüber, ob jemand gut oder weniger gut gearbeitet hat, so unmittelbar, so direkt und so schnell wie beim Verkauf. In kaum einem anderen Feld hat die persönliche Leistung – auch und insbesondere auf die individuelle Person und Persönlichkeit bezogen – so unmittelbare Konsequenzen wie beim Verkäufer. Auf keinem andern Gebiet wird die persönliche Wertschätzung oder die persönliche Ablehnung so drastisch deutlich wie beim Verkauf. Es braucht hier also nicht nur fachlich gut ausgebildete Menschen. Darüber hinaus ist hier ein hohes Maß an Frustrationstoleranz und an persönlicher innerer Stabilität und an Verarbeitungsfähigkeit von Niederlagen erforderlich. Denn es gewinnt nur der Sieger. Schon der zweite Platz im Verkaufswettbewerb bedeutet Verlierer zu sein. Der Kunde kauft nur einmal.
Dies alles erfordert Menschen, die auf allen der oben genannten Felder professionell arbeiten können.
Es ist also ausgesprochen kontraproduktiv, eine solche Tätigkeit von auf diesem Gebiet nicht wirklich gut ausgebildeten Menschen machen zu lassen. Das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Laienhaft arbeitende „Verkäufer“ bringen keine Erfolge, vergeuden Zeit und Geld des Unternehmens, schaden dem Image von Unternehmen und Verkäufern, werden zu unmotivierten, frustrierten Mitarbeitern. Sie üben einen Job aus, den sie nicht können und nicht wollen, aber sollen. Es ist unverantwortlich naiv zu glauben, verkaufen könne jeder, das müsse man nur wollen und es „mache doch jedem Spaß“. Es ist ja gerade die Crux, dass viele es nicht können und viele – aus guten Gründen – es auch nicht wollen und tatsächlich eben auch nicht jeder Spaß am Verkaufen hat. Das hängt mit der gesamten Lebensgeschichte, den gemachten Erfahrungen und den individuell gebildeten inneren Werten zusammen. Kein Training kann darüber hinweg helfen. Es ist eben nicht möglich solche Menschen, die sich bisher für völlig andere Aufgaben entschieden haben, in einem 2-Tages-Seminar zu guten Verkäufern auszubilden. Für andere Fachbereiche bedarf es in der Regel einer 3-jährigen Ausbildung oder eines langjährigen Studiums, um die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten und das „Können“ zu erlangen. Warum sollte dies ausgerechnet beim Verkauf anders sein? Dafür gibt es keinen einzigen überzeugenden Grund.
Ein Weiteres kommt hinzu. Menschen, die in der beschriebenen Weise zum Verkauf eingesetzt werden, machen auf Dauer keinen der beiden Jobs dann wirklich gut: weder den bisherigen, noch die (neue) Verkaufstätigkeit. Das ist in hohem Maße unwirtschaftlich und von betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise weit entfernt. Durch eine solche Vorgehensweise macht es sich der Vertrieb zu einfach. Anstatt sich mit den ureigensten Aufgaben auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie sie selbst ihren Job besser machen und ihre Ziele erreichen können, suchen Vertriebsmanager oft ihr Heil in der Unterstützung durch eine Laienschar. Hier offenbart sich aus unserer Sicht das Unvermögen der Führungskräfte im Verkauf, sich mit dieser Problematik konstruktiv und kreativ auseinanderzusetzen. Zum Teil wird ja nicht einmal darüber nachgedacht, worin das eigentliche Problem besteht. Vielleicht ist es auch Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit und eines Ideenmangels. Vielleicht haben sie tatsächlich keine andern Strategien. Aus dieser Hilflosigkeit heraus ergreift man dann offenbar jeden Strohhalm als Rettungsanker und rekrutiert innerbetrieblich Menschen aus anderen Fachbereichen, um im Vertrieb zu helfen. Man möchte fast formulieren: Das, was Profis nicht imstande sind zu erreichen, sollen nun Laien schaffen. Das muss schiefgehen! In jedem andern Beruf würde man sich bei einer solchen Vorgehensweise die „Haare raufen“. Die Weltmeisterschaft im Fußball wird auch nicht mit einer Gruppe unmotivierter und laienhaft spielender Straßenfußballer (und um im wirklichen Bild zu bleiben müsste man eigentlich sogar sagen: Handball- und Eishockeyspieler – weil: Fußball kann doch jeder!) gewonnen.
Die Professionalität im Vertrieb und in der Vertriebsführung hinkt den tatsächlichen Notwendigkeiten hinterher.
(… wird fortgesetzt)
Endlich sagt es einmal jemand. Die Nichtsnutzigen werden auf Linksaußen gestellt. Die Unfähigen sollen verkaufen. Ohne Ausbildung, ohne Anerkennung.
Der Grund dafür scheint mir die dem Menschen eigene uneingestandene, verdrängte Angst vor Ablehnung zu sein. Wer mag sich schon täglich in eine Arbeit stürzen, die soviel ’spiegelt‘, von allen Seiten Schwachstellen aufzeigt. Du kannst an ihr wachsen, aber auch im Kleinen immer wieder scheitern. Vor allem wird dir jeden Tag bedeutet, dass DU nicht der König bist. Du darfst dir vom Kunden alles Mögliche bieten lassen. Du wirst vom Innendienst und der Produktentwicklung sowieso nicht ernst genommen und dein Chef beurteilt dich nach den nackten Zahlen, nicht aber nach deinen Werten als Mitarbeiter.
Wer will schon so eine Arbeit (ich nicht). Wer so etwas machen muss, der wird keine Alternativen haben. Entsprechend haben wir ihn einzuschätzen.
ABER: Die eigentliche Leistung des Verkäufers, diese problematische Gemengelage als Herausforderung und täglichen Ansporn zu nehmen und alle zusätzlichen Anforderungen betriebswirtschaftlicher und produkttechnischer Art ebenfalls zu meistern, die wird vom Betrachter nicht gesehen. Er wertet lieber ab, bevor er sich selbst eingesteht: Das kann ich nicht!
Danke für dieses gelungene Plädoyer für professionelles Verkaufen!